DIE GÖTTER

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Götter zu versteigern!

Ich muss gestehen, ihr lieben Menschen, dass ihr den ganzen Laden ziemlich heruntergewirtschaftet habt. Seid kurz ehrlich zu euch selbst: Ihr holzt die Regenwälder ab, als brauchtet ihr keine Bäume. Ihr macht aus allen Fischen, die in den Weiten der Ozeane schwimmen, Ölsardinen, selbst aus den Walen, die ja nicht einmal Fische sind. Im Ural gibt es einen See, dessen Umgebung man mit fluoreszierender Farbe illuminieren könnte, so vollgepumpt ist er mit Atommüll. Verdammte Axt, wir Götter haben die Welt als ein sich selbst erhaltendes System designet. Da geht es um das Gleichgewicht der Dinge, welches ihr Menschen gerade so was von kaputt macht!

Was mir aber am meisten Sorgen bereitet, ist die Moral eurer Gesellschaft. Milliarden Menschen hungern, sind bereit, ihren Nachbarn für ein Stück Brot zu töten, während eine Handvoll Superreicher nicht wissen, was sie mit ihrem Geld anfangen sollen. Einzig ein Bruchteil jener Superreichen ist bereit, von ihrem Reichtum abzugeben. Und dann sind da die, die anderen Menschen Ruhm und Reichtum versprechen, und jene Menschen, die nur nach eben jenen Dingen trachten: Ruhm und Reichtum. Als gäbe es nichts Wichtigeres! Was glaubt ihr wohl, auf wen wir Götter mit mehr Wohlwollen sehen: auf den Jungen aus der Bronx, der für fünf Minuten im Rampenlicht steht, weil er in einer Casting-Show gewinnt oder auf den, der still seinem Nachbarn hilft, eine alte Dame durch den dichten Verkehr über die Straße führt, ein Kind bei sich aufnimmt, das keine Eltern mehr hat, sich in einer Krisenregion um die Bevölkerung kümmert, die mit der Krise gar nichts zu tun haben will?

Es gibt so viel, so viele kleine Dinge, die ihr selbst tun könntet, um euch das Leben gegenseitig viel angenehmer zu machen, aber ihr tut es nicht. Doch verzagt nicht, Kinder, die Götter gaben euch nicht auf. Im Gegenteil beschlossen sie, euch zu helfen. Es ist nur schade, dass ihr unsere Hilfe nicht wirklich annehmen wolltet.

Es war nicht lange nachdem mein alter Freund Zeus beschloss, Superheld zu werden. Ich saß auf meiner Veranda, trank einen Single Malt, paffte genüsslich eine Cohiba und genoss den Sonnenuntergang in den schottischen Highlands tief unter meinen Füßen, als mein getreuer Butler Servatius – ihr mögt jetzt sagen, Gott hätte solche dekadenten Extravaganzen wie einen Butler nicht nötig, aber Servatius drängte mir seine Dienst damals im Jahre 128 nach eurer Zeitrechnung förmlich auf – atemlos an meine Seite trat.

„Herr …“, keuchte Servatius und rang einerseits um Sauerstoff, andererseits um Fassung.

Ich blickte auf und wartete.

„Herr …“, keuchte Servatius ein zweites Mal.

„Jetzt mach mal halblang, mein Junge! Setz Dich erst mal“, forderte ich ihn auf und wies auf den leeren Liegestuhl neben mir. Servatius sah mich erstaunt an, weil der Stuhl bis eben noch gar nicht da war. Es hat doch Vorteile, ein Gott zu sein. Auch für das Personal. „Setz Dich und hol Luft! Und dann erzählst Du mir in Ruhe, was Sache ist.“

Servatius ließ sich auf den Stuhl fallen. Ich reichte ihm ein Glas Wasser und er kippte es sich hinter die Binde, als sei es ein kühles Bier an einem heißen Sommertag. Eine halbe Minute später sah er mich an.

„Herr, warum habt Ihr mir nicht gesagt, dass Ihr so hohen Besuch erwartet?“

„Besuch?“

„Ja, natürlich! Die Olympier stehen vor der Tür. Sie müssten jeden Moment klingeln.“

Servatius hat ein außerordentliches Gespür für die Bedeutung der Worte „jeden Moment“, denn zwei Sekunden nachdem er seinen Satz beendet hatte, ich war noch damit beschäftigt, herauszufinden, ob ich irgendeine Verabredung vergessen hatte, erscholl ein volles, tiefes „DONG!!!!“. Andrew, einer meiner Imageberater, ist der Meinung, Venedigs Totenglocke wäre eine schlechte Wahl als Türgong. Es würde die Menschen zu sehr daran erinnern, dass sie nicht mehr lebten. Aber hey! Wir sind hier im Himmel und jeder hier müsste eigentlich wissen, dass sein irdisches Leben vorbei ist. Außerdem klingelt sowieso kaum jemand an der Tür. Normalerweise besucht man mich im Büro (Sprechzeiten: Montag bis Donnerstag von 8:30 Uhr bis 19:00 Uhr, freitags nach Vereinbarung).

Servatius sprang sofort auf, um meine Gäste einzulassen, aber ich gebot ihm sitzen zu bleiben.

„Ich mache das schon, alter Junge. Nimm Dir 'nen Drink!“

„Danke, Herr“, antwortete mein Butler.

„Und hör endlich auf, mich Herr zu nennen! Du bist hier angestellt und nicht mein Sklave, Mann! Bei Deiner Förmlichkeit kriege ich noch graue Haare. Du bist nicht mehr in Rom!“

Nicht, dass graue Haare ein Problem wären. Selbst ihr Menschen habt für dieses Problem eine Lösung und einem Gott fällt das natürlich noch leichter. An jenem Abend trug ich einen blonden Bürstenschnitt. Elsa, meine Haus- und Hoffrisöse hatte zwar vehement protestiert, als sie mein schulterlanges Haar abschneiden sollte, aber ich konnte sie letztlich damit beruhigen, dass ich mir die Haare jederzeit im Handumdrehen wieder wachsen lassen konnte. Aber Menschen wollen arbeiten und deshalb ließ ich mir von Zeit zu Zeit von Elsa die Haare schneiden.

„Gott, mein Junge!“, dröhnte mir Zeus‘ Bass entgegen, als ich die Tür öffnete und in den Sonnenaufgang über Tokio blinzelte.

Bitte lasst mich an dieser Stelle anmerken, dass ich keineswegs mit einem riesigen Anwesen protzen will. Nein, auf gar keinen Fall. Aber ich mag die Sonne und deshalb lasse ich sie immer irgendwie auf mein Haus scheinen. Und wenn ich auf der Veranda in einen Sonnenuntergang blicke, muss der gelbe Lichtball auf der gegenüberliegenden Seite des Hauses, also an der Eingangstür, eben aufgehen. Eigentlich ist mein Haus eher klein und bescheiden. Drei Zimmer, Küche, Bad und Gäste-WC. Das reicht vollkommen.

Ich erhaschte noch einen kurzen Blick auf Aphrodite, Artemis und einen seltsamen, vollschlanken Typen in einem Nachthemd, bevor Zeus mich an seine Brust drückte und mir die Sicht nahm.

„Zeus, alter Knabe!“, antwortete ich und versuchte, mich irgendwie aus seiner Umklammerung zu befreien. Keine Chance. Seine Umarmung war so herzlich … Sie war so herzlich, dass ich ein wenig Angst vor dem hatte, was die vier Griechen – Verzeihung, die zwei Griechinnen und die zwei Griechen – wohl von mir wollten. Wenn der oberste Olympier einen so begrüßt, hat er meist eine Schnapsidee, lässt sich von dieser nicht abbringen und kriegt sie alleine nicht auf die Reihe.

„Luft!“, japste ich schließlich und klopfte auf Zeus‘ Arm. Geschafft! Zeus ließ mich los. „Was verschafft mir das Vergnügen eures Besuches?“

Ich gab Hypnos, dem Schlafgott – der Herr im Nachthemd – die Hand, küsste Aphrodites Fingerknöchel und nahm die Göttin der Jagd in den Arm. Dann winkte ich die Vier rein und führte sie durch das Haus auf die Veranda. Die letzten roten Sonnenstrahlen küssten gerade die Ufer von Loch Ness. Ich winkte kurz zur Erde runter, als Nessie fröhlich mit ihrem Hals in das dunkle Wasser platschte. Ich mag Nessie. Sie ist so hilfsbereit wie Flipper aber deutlich intelligenter.

„Wollt ihr etwas trinken?“, fragte ich meine Gäste. „Ich hätte …“

„Mit Verlaub, He… Gott“, fiel mir Servatius ins Wort, „ich war so frei, eine Amphore Wein zu öffnen. Von Samos, Jahrgang 83. Und eine Tasse Milch mit Honig für den Gott des Schlafes.“

Was würde ich nur ohne Servatius machen? Ich würde all die Dinge natürlich mit Leichtigkeit selbst tun können, aber Servatius dachte immer mindesten drei Schritte voraus. So etwas erleichtert das Dasein doch sehr.

„Also, alter Knabe“, richtete ich das Wort schließlich an Zeus, „was hast Du wieder angestellt? Und warum hast Du die anderen mit in die Sache reingezogen?“

Zeus nippte am Wein und sah verlegen auf seine Füße. Er wackelte nervös mit den Zehen und schwieg.

„Nun komm schon, Großer! Lass Dir nicht alles aus der Nase ziehen!“

Zeus schaukelte verlegen den Kopf, seinen Blick nicht von seinen Füßen nehmend.

„Bin ich so berechenbar?“

„Ja, bist Du.“

Der alte Grieche blickte wieder schweigend auf seine Füße. Ich schwieg, abwartend.

„Wir verstehen die Menschen nicht“, durchbrach Aphrodite das Schweigen.

„Ist nichts wirklich Neues. Nichts für ungut.“

Aphro rieb sich nachdenklich ihr schönes Näschen. Zeus sah weiter auf seine Zehen. Artemis blickte tief in ihr Glas und Hypnos … lag auf einer Sonnenliege, seine Augen geschlossen, sein Milch auf das Nachthemd verschüttet. Zeus richtete den Zeigefinger auf den Gott des Schlafes und ließ einen kleinen Blitz auf dessen blanke Fußsohle.

„Aua!“, protestierte der aufgeschreckte Schlafgott.

„Wach auf, Schlafmütze!“, murrte der griechische Chef.

„Verdammt, ich arbeite nachts! Also schlafe ich eben tagsüber, ist doch logisch, oder?“

Für einen kurzen Augenblick dachte ich darüber nach, die alte Schlafmütze darauf hinzuweisen, dass immer irgendwo Nacht sei und er somit nie schlafen dürfe, ließ es aber sein. Ich goss mir noch einen Drink ein und sah die anderen abwartend an. Schweigen. Stille. Als ich den Nordpol schuf, dachte ich an einen Ort der Stille, an den sich ein Superheld zurückziehen kann. Unter uns: Die Stille am einsamen Nordpol war so laut wie ein startender Jet im Vergleich zu der Stille, die auf meiner Veranda herrschte.

„Also was ist los?“, platzte ich schließlich raus.

„Naja … Wir verstehen die …“, begannen Zeus und Aphrodite unisono.

„… die Menschen nicht“, unterbrach ich sie. „Was habt ihr auf dem Herzen?“

„Warum sind die Menschen, wie sie sind?“, fragte die Göttin der Schönheit. „So vielen Menschen geht es schlecht und so viele Menschen, die helfen können, helfen nicht. Und wenn wir ihnen Hilfe anbieten, fragen sie nach dem Haken.“

Jaja, die lieben Menschen. Und wenn man euch ein paar Jahrhunderte nicht beobachtet, wie es die griechischen Götter taten, geht das Verständnis für euch verloren.

„Habt ihr schon daran gedacht, nicht zu fragen? Helft einfach nur. Fragt Zeus! Was macht eigentlich Deine Unterhose?“

Ich hätte mir diese Bemerkung verkneifen sollen. Wusstet ihr schon, dass sogar Zeus‘ Augen blitzen können? Das kenne ich sonst nur von Hera und Barbara, meiner persönlichen Assistentin. Aber keiner wütenden Frau Auge blitzt so schön wie die Augen von Zeus.

„Wenn Du’s genau wissen willst“, maulte Zeus schließlich, „ist es Deine Schuld!“

„Meine Schuld?“ Ich hätte beinahe den guten Glen Morangie ausgeprustet.

„Ja, Deine Schuld!“

„Wieso ist das meine Schuld?“

Zeus grunzte. „Weil Deine Leute alles für Teufelszeug halten, was nicht von Dir kommt, Kleiner. Wir haben in Afrika ein paar Maisfelder wachsen lassen, damit die Menschen etwas zu essen haben. Und was machen die Typen? Sie schreien ‚Teufelszeug!‘ und brennen das Maisfeld nieder. Echt! Wie bekloppt ist das denn?“

Ich mag Fundamentalisten nicht. Sie verdrehen mir das Wort im Mund und bringen die Leute letztlich nicht voran. Ja, ich weiß: Ich habe gesagt, Du sollst keinen anderen Gott haben neben mir. Aber das heißt nicht, dass ihr euch nicht von anderen helfen lassen dürft. Ich meine, denkt kurz nach! Stellt euch vor, ihr hättet neben mir noch Zeus, Odin und Buddha als eure Götter! Nebenbei bemerkt mag ich Buddha. Ist ein cooler Typ. Absolut gechillt, der Junge. Aber zurück zum Thema. Ihr habt also neben mir Odin, Zeus und Buddha als Götter. Jemand ärgert euch. Odin sagt: „Hau ihm eins auf die Mütze!“ Zeus sagt: „Hau ihm ein auf die Mütze und hänge ihm eine Autobatterie an die Nippel!“ Buddha sagt: „Hey! Ganz ruhig, Mann! Lass ihn einfach links liegen, das ärgert ihn viel mehr.“ Es spielt jetzt gar keine Rolle mehr, was ich sagen würde, denn ihr habt schon drei verschiedene Meinungen. Also was würdet ihr jetzt tun? Ist schwierig, was? Deshalb solltet ihr nur einen Gott haben. Aber deshalb könnt ihr doch Hilfe annehmen! Verdammte Axt, schaltet mal euren Kopf ein! Dafür haben wir ihn euch gegeben!

Ich gab Zeus Recht. Ich hatte ja keine andere Wahl.

„Vielleicht versucht ihr es mal etwas subtiler, Freunde“, riet ich den Vieren schließlich. „Tut etwas, das nicht ganz so göttlich aussieht. Was könnt ihr am besten?“

„Ich habe meinen Schönheitssalon“, platzte Aphrodite sofort heraus. „Die Leute fühlen sich wohl bei mir und keiner ging bisher unzufrieden aus dem Laden.“

„Das hilft den Menschen aber nicht viel weiter“, murmelte Hypnos und gähnte. „Sie sehen zwar hübscher aus als vorher – und manchmal vollbringst Du wahre Wunder – aber das ist nur für den Augenblick und hilft denen nicht, die nichts haben.“

Erstaunlich kluge Worte für die kleine Schlafmütze.

„Hey!“, empörte sich die Schönheitskönigin. „Wie viele arme junge Dinger habe ich schon umsonst bedient?“

„Naja“, murmelte Hypnos, „die eine Kleine neulich, die am nächsten Tag bei meinem Bruder ankam, hast Du ziemlich umsonst bedient. Dem Tod ist es egal, ob man sich hübsch macht. AUA!“

Aphrodites Augen blitzten fast so schön wie die von Zeus vorhin, als sie dem Gott des Schlafes eine Kopfnuss gab.

„Ist doch wahr“, protestierte der Letztere. „War doch vollkommen umsonst.“

„Die Kleine hat immerhin hundert Dollar bei mir gelassen!“

„Und das ganz umsonst.“

Wenn Hypnos grinst, verbreitet er gute Laune. Selbst Aphrodite konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. Manchmal glaube ich, er sollte der Gott der guten Laune sein.

„Also gut“, unterbrach ich das Geplänkel. „Du spendierst Deinen Kundinnen auch mal eine Schönheitsbehandlung. Aber Hypnos hat Recht. Wem nützt das? Schönheit ist vergänglich und nutzt nichts, wenn man am Hungertuch nagt.“

„Und wenn wir daran was ändern wollen, jagen uns die Menschen zum Teufel“, brummte Zeus.

„Ich sagte doch, ihr sollt subtiler vorgehen. Mit Geld kann man eine Menge erreichen. Das werde ich Mammon nie verzeihen. Und die Menschen beruhigen ihr Gewissen gerne damit, Geld für wohltätige Zwecke locker zu machen. Sie brauchen nur einen Anlass. Nehmt nur die ganzen Charity-Dinner, die irgendwelche Promis veranstalten!“

„Ach die Dinger sind doch nur Selbstzweck“, maulte Artemis. „Und was soll ich machen? Einen Jagdausflug für den, der am meisten bietet?“

„Selbstzweck oder nicht – wenn es seinen Zweck erfüllt, passt das doch, oder?“

„Aber wer will denn heute noch auf die Jagd gehen?“

„Niemand“, gab ich zu. „Aber grundsätzlich ist Deine Idee gut.“

Erneut breitete sich Schweigen aus. Meine Gäste grübelten eine Minute, dann hellten sich ihre Mienen auf. Und am nächsten Tag standen vier Anzeigen in einem bekannten Internetauktionshaus …

***

Ich saß auf meiner Veranda, aß eine Pekingente von Ming und genoss den Sonnenuntergang über der chinesischen Hauptstadt. Ich liebe Sonnenuntergänge. Was immer Servatius liebt, ich hatte ihm gesagt, er solle dem nachgehen und sich einen Abend frei nehmen.

„Noch ein bisschen Reiswein?“, fragte Buddha. Eine Pekingente schmeckt zu zweit einfach besser.

„Ja, danke!“

Buddha schenkte mir nach, als ein lautes „DONG!!!“ die Hütte erfüllte.

„Die Damen Artemis und Aphrodite, die Herren Zeus und Hypnos“, erklärte Servatius. Sagte ich schon, das ich Servatius gesagt hatte, er solle einen Abend lang machen, was er am liebsten tut? Nun, fragt nicht, was er am liebsten tut. Aber das ist OK.

„Danke, mein Freund“, sagte ich. „Magst Du ein bisschen Ente?“

„Nein danke“, antwortete mein freundlicher Butler. „Aber wenn ich einmal Eu… Dein After Shave benutzen dürfte? Diese Kleine aus Judäa steht irgendwie darauf.“

Servatius! Du alter Schwerenöter! Daher wehte der Wind also. Eine Kleine aus Judäa!

„Klar, bediene Dich!“

Servatius war gerade im Badezimmer verschwunden, als es prompt erneut klingelte. Vor der Tür stand eine der schönsten Frauen, die ich je gesehen hatte. Servatius, Du alter Schwerenöter! Eine solche Frau hatte ich in meinem Leben noch nicht gesehen. In meinem ganzen … Doch, wir waren uns schon einmal begegnet.

„Maria?“

Maria schaute verlegen auf den Boden und drehte sich hin und her wie ein nervöser Teenager.

„Hallo Gott!“, sagte sie. „Lange nicht gesehen.“

Ja, wir hatten uns 53 Jahre nicht gesehen. Das letzte Mal sahen wir uns bei einem Eltern-Kind-Abend bei Freia. Es war erstaunlich, Jesus und Thor beim Basteln zuzusehen. Dass sich erwachsene Männer noch kindlich verhalten können, finde ich wirklich wunderbar. Seitdem hatten wir keine Gelegenheit. Maria hatte ihre Frauengruppe und ich … Nun, irgendetwas ist immer.

„Servatius ist noch im Bad“, erklärte ich Maria. „Willst Du so lange mit auf die Veranda kommen? Es ist Sonnenuntergang in Peking. Siehst gut aus, Liebes!“

Zwei Minuten später saßen Maria, Buddha und ich auf der Veranda, bewunderten einen Sonnenuntergang, mampften Pekingente und lauschten den Griechen, die sich wieder beschwerten, dass ihr Menschen euch nicht helfen lasst.

„Naja, jedenfalls kamen nicht viele Gebote zusammen“, erklärte Zeus gerade. „Du hattest Moses mehr Gebote diktiert, als ich auf eBay bekam.“

„Was wolltest Du denn versteigern?“, fragte Maria den Obergriechen.

„Ein Abendessen in einem Fünf-Sterne-Restaurant in Paris. Ich dachte, das kommt bei den Damen an. Aber das war wohl nichts. Ich sei nicht George Clooney oder Brad Pitt, hat eine auf eBay geschrieben. Wer bei Hades ist dieser Brad Clooney? Ich bin immerhin Zeus!“

„Und? Glaubt Dir das jemand?“

„Naja … Nein.“

Maria, Buddha und ich nickten verstehend. Keiner kennt den alten Griechen mehr. Nicht wirklich. Die Bilder, die Hollywood vermittelt, werden Zeus nicht einmal im Ansatz gerecht.

„Wie viel hast Du zusammengekriegt?“

Zeus druckste herum. „500 Mücken.“

„Dollar oder Euro?“

„Zloty.“

Maria verzog ihr Gesicht vor Mitleid. Buddha brach in Gelächter aus.

„War sie wenigstens hübsch?“, fragte ich, bemüht, es nicht Buddha gleichzutun.

„Schon, aber sie hat die ganze Zeit nur vor Dir gesprochen.“

Jetzt tat ich es doch Buddha gleich. Eine Nonne! Und ich wette, sie wollte den alten Knaben davon überzeugen, sich der Bibel zuzuwenden.

„Dafür hat sich der Student, den ich nach dem Essen traf, für nichts anderes interessiert als für mich. Und er hat glatt 250.000 springen lassen.“

„Zloty?“

„Euro.“

„Na immerhin.“

„Nein“, schüttelte Gott den Kopf. „Sein Vater hat die Überweisung storniert. Aber die Nacht war schön.“

Diesmal lachten alle. Irgendwann sogar Zeus selbst.

„Und ihr anderen?“, fragte ich irgendwann prustend. Sofort trat wieder Stille ein. Die griechischen Damen blickten so nervös auf ihre Schuhe wie vorher Maria, als sie an der Tür stand.

„Zweitausend für eine persönliche Trainingsstunde“, flüsterte Artemis schließlich.

„Zweitausend sind mehr als nichts“, versuchte ich sie aufzumuntern.

„Ich stand bei Zweihunderttausend“, beschwerte sich die Jagdgöttin. „Zweihunderttausend Euro, bis jemand sagte, ich sei gar nicht die Personal Trainerin von Robbie Williams. Habe ich auch nie behauptet.“

„Ach komm schon!“

„Und die zwei Riesen waren gleich für eine ganze Gruppe! Und dann haben die sich beschwert, weil sie Sport treiben sollten. Haben irgendwas von einer Wellness-Oase an der Stadtautobahn gefaselt und wollten mir an die Wäsche! Als ich sie nicht ließ, nahmen sie ihr Geld auch wieder mit.“

Oh Mann! Warum müsst ihr Menschen eure Etablissements immer nach griechischen Göttinnen benennen?

„Zehn Riesen!“, rief Aphrodite schließlich. „Aber nicht für die Auktion. Irgendjemand aus Hollywood hat Wind von meinem Laden gekriegt und mich engagiert. Zehn Riesen für einen Haarschnitt. So viel nehme ich sonst nicht. Aber es war für einen guten Zweck.“

„Solltest Du öfter machen, Aphro“, lächelte ich ihr zu. „Zehntausend sind kein schlechter Schnitt.“

„Es waren zwanzig Haarschnitte. Haare schneiden für die Obdachlosen von Beverly Hills.“

Aphrodite platzte fast vor Stolz. Maria hob ihre Augenbrauen aber niemand sagte etwas.

„Und nächste Woche mache ich selbst so eine Aktion. Für die Menschen in Afrika. Hab schon zehn Zusagen.“

Ja, die Süße schien den Dreh raus zu haben. Aber das Lob, das ich ihr gerade entgegenbringen wollte, ging in einem lauten Geräusch unter. Hypnos lag auf einer Sonnenliege und schnarchte.

„Aufwachen, Schlafmütze!“, donnerte Zeus und ließ einen Blitz in Hypnos‘ Hintern zucken.

„Was? Oh! 'tschuldigung! War eine anstrengende Nacht.“

„Was hast Du gemacht?“, fragte Zeus.

„Hab meine Dienste als Babysitter angeboten. Irgend so ein Hollywoodpärchen mit einem Kindergarten hat zugeschlagen. War ein simpler Job. Ein bisschen Schlummerstaub und es war Ruhe.“

„Und davon wirst Du so müde?“, fragte ich.

„Nein, aber die Beiden haben voll Begeisterung ihre Freunde angerufen. War ein volles Programm.“

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