DIE GÖTTER

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Versuche und Fehlschläge

Auch uns Göttern gehen nicht alle Dinge wirklich leicht von der Hand. Ja, ich muss zugeben, dass auch uns Fehler unterlaufen. Zwar wird uns immer Allwissen und Unfehlbarkeit nachgesagt, aber das stimmt nicht. Vielmehr wird über unsere Fehlschläge nichts bekannt.

Oh nein, das liegt nicht daran, dass wir diese Dinge totschweigen. Es erfährt einfach niemand. Es ist so ... Wie erkläre ich das am besten? So vielleicht:

Stellt euch vor, ihr erschafft eine Welt. Aus den Bauklötzern eines dänischen Spielzeugherstellers, am Computer – egal. Ihr erschafft also eine Welt. Ihr erschafft Menschen auf dieser Welt. Aber es gibt eine Kleinigkeit, die ihr nicht bedacht habt. Zum Beispiel, dass grüne Haare die Aufmerksamkeit eines bestimmten Raubtieres erregen. Was ist die Folge? Richtig: Die Menschen sind noch zu unbedarft, um Waffen zu schaffen, mit denen sie dieses Untier erfolgreich abwehren können. Infolge dessen stirbt diese Spezies Mensch leider aus, bevor sie ihre Geschichte auf Höhlenwände malen kann und verschwindet.

Ja, schade eigentlich. An die grünen Haare hättet ihr denken sollen. Aber als Gott lässt man sich nicht entmutigen und bringt von Neuem Menschen hervor. Diesmal macht ihr die Haare nicht grün, das betreffende Raubtier habt ihr sicherheitshalber auch dem Untergang preisgegeben (vielleicht lag es ja doch nicht an den grünen Haaren) und eure neuen Menschen überleben. Ihr seid somit der allmächtige, allsehende, allwissende und unfehlbare große Schöpfer, denn von dem ersten Versuch sind ja keine Spuren geblieben. Lediglich von dem Raubtier. Ihr habt etwas von ihm auf der von euch geschaffenen Welt gelassen als Mahnung an die Menschen, gut zu überlegen, ob die Dinge, die sie schaffen auch wirklich funktionieren können. Nicht, dass die Menschen diese Nachricht erkennen. Vielmehr grübeln sie, wovon dieses Tier wohl gelebt hat und warum es wohl ausstarb.

Also daher kommt unser Credo der Unfehlbarkeit. Wenn wir Fehler machen – und das kommt immer wieder vor – dann machen wir sie richtig und es bleibt hinterher nichts mehr davon übrig. Tja, und wenn Du einem Sterblichen von so einem Fehlschlag erzählst, glaubt er Dir nicht. Du bist ein Gott! Götter können alles (was ja prinzipiell stimmt) und machen keine Fehler! Das kann ja gar nicht sein! (Hab ich schon von Thors blöder Idee erzählt, durch zu viele Äpfel besonders fit wirken zu wollen? Ja, auch Götter machen Fehler.)

Seltsamerweise glaubt einem nicht einmal die eigene Familie. Was ich meine, wollt ihr wissen? Na ihr müsst mich schon ausreden lassen. Also:

In München gibt's ein Hofbräuhaus. Ich weiß, dass ihr das wisst. Und die Bayern sind nicht mein Fehler gewesen. Aber ich genieße dort ein sehr hohes Ansehen. Eine höhere Glaubensdichte gibt es nur noch in Amerika, wenngleich die Reinheit dort durchaus angezweifelt werden kann. Aber man rechtfertigt sich in Amerika gerne mit dem Glauben an mich.

Ich schweife ab. Wo war ich? Ah, das Hofbräuhaus. Ich halte mich ganz gern in Bayern auf. Ich liebe die Berge (sofern ich nicht von dort oben runterschauen muss). Ich finde schon, dass mir die Alpen recht gut gelungen sind. Außerdem ist die Gegend eben schön katholisch. Einstmals saß ich mit meinem Sohn in eben jenem Hofbräuhaus. Ich trank eine Maß Bier, mein Sohnematz einen Milchshake. „Du bist erwachsen und kannst auch ein Bier trinken“, meinte ich. Aber Junior wollte nicht. Bier sei nicht gut für die Leber, meint er. Nun, ob das Milchfett so gut für den Cholesterinspiegel ist ... „Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist“, sagte Paracelsus. Hab ich ihm erklärt.

Als wir nun so da saßen, grübelte ich und besann mich einer Kleinigkeit, die Junior wissen sollte, wie ich meinte. Es ging um die Sache mit dem Messias. Es gab nämlich schon früher einen Mann namens Simon, der drei Tage nach seinem Tod wiederauferstand. Ich erzähle euch noch ausführlicher davon. Alles zu seiner Zeit und immer schön nacheinander. Ich erzählte Junior also von jenem ersten Messias, an den sich heute niemand mehr erinnert. Junior sah mich an. Dann schüttelte er entsetzt den Kopf. Nein, das könne nicht sein, das sei ganz und gar unmöglich, denn wenn es schon einen Messias gab, warum hätte ich ihn dann schaffen sollen? Ich muss dazu bemerken, dass Junior zu jenem Zeitpunkt eine kleine Existenzkrise hatte, weil sich mehr und mehr Menschen von ihm abwandten. Er dachte folglich, ich erzählte ihm die Geschichte vom ersten Messias nur, um ihn aufzumuntern und ihm klarzumachen, dass er etwas besonderes ist, weil man über ihn noch redet, über den ersten aber nicht. Aber er meinte lächelnd, er würde mir diese kleine Lüge vergeben. Ja, Junior vergibt gerne. Vergebung liegt ihm im Blut. Sie ist bei ihm genetisch bedingt. Habe ich so eingerichtet. Warum? Habt Geduld, ich erzähle es noch.

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