DIE GÖTTER

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Termingeschäfte

Menschen haben Probleme. Götter aber auch. Ihr armen Menschen jammert immer und beschwert euch, dass ihr keine Zeit und zu viel zu tun habt. Pah! Was haltet ihr davon, die Dinge mal langsamer anzugehen? In der Ruhe liegt die Kraft. Und wenn ihr etwas planvoller vorgeht, könnt ihr jetzt schon Dinge regeln, die euch sonst übermorgen auf den großen Zeh fallen würden.

Habt ihr eigentlich eine Ahnung von langfristiger Planung? Davon, was man so alles beachten muss, wenn man ein Gott ist? Ich will euch davon erzählen.

Also, schlagt mal die Bibel auf. Sagen wir … sagen wir mal das zweite Buch Mose. Der Exodus. Ich fasse kurz für diejenigen, die kein Buch zur Hand haben, das Geschehen zusammen: Moses, Sohn Israels, wuchs beim Pharao auf. Er war machtvoll und reich, wie es als Pflege- und adoptierter Sohn eines Pharaos so ist. Irgendwann fand er einen brennenden Dornbusch und hörte eine Stimme, die sagte, er solle sein Volk aus Ägypten führen.

„Was?“, fragte Moses verwirrt. „Die Ägypter aus Ägypter führen? Das bringt die Ärmsten aber in eine hübsche Identitätskrise.“

„Das Volk Israel, Du Depp!“, war die Antwort aus dem Busch. „Du bist kein Ägypter.“

Moses führte also die hebräischen Sklaven aus Ägypten fort, bekam irgendwann von mir ein paar Steintafeln mit meinen Geboten und Gesetzen (von denen er die meisten unterwegs fallen ließ, so dass nur 10 Gebote übrig bliebe) und brachte die Leute irgendwann ins gelobte Land. Er selbst kam nie dort an, aber das tut nichts zur Sache.

Die Stimme im Busch gehörte übrigens nicht mir. Es war Metatron, mein Pressesprecher. Ich muss an dieser Stelle noch einmal Abbitte leisten. Die Sache mit dem Feuer war eine blöde Idee. Stellt euch vor, ein Winzling, gerade so groß wie euer Daumennagel hockt sich in ein Gebüsch, zündet es an und spricht zu jemandem. Als der arme Kleine wieder bei mir vorsprach und den Vollzug meines Auftrages meldete, war er von Kopf bis Fuß schwarz und rußbedeckt. Ja, solche Dinge muss man beachten.

Aber das war nur eine Kleinigkeit. Viel komplizierter war die Sache mit dem gelobten Land. Zwar gab es genug Land, aber davon war nichts gelobt. Eine Menge Wüste, nicht mal ein Kaktus – siehste! Also musste ich erst mal für die neue Heimstadt sorgen.

Theoretisch sollte das kein Problem sein. Man war ja zu Fuß unterwegs, die geschätzte Ankunftszeit betrug zwei bis drei Jahre. Das reicht, um einen Fluss zu buddeln, ein paar Bäume zu pflanzen und Häuser hinzustellen. Eigentlich. Aber es gibt immer etwas, das schief gehen kann.

Der Fluss sollte eigentlich auf wunderbare Weise aus dem Sand erscheinen und ebenso wunderbar wieder im Sand verschwinden. Ich ließ zu diesem Zweck ein unterirdisches Wasserreservoir anbohren. Einen Graben ziehen, der das Flussbett bildet und drei Meilen hinter dem gelobten Land das Wasser versickern lassen – fertig! Mein Projektmanager achtete aber nicht auf den Untergrund. Im Zielgebiet befand sich einen halben Meter unter dem Sand eine riesige Granitplatte und das Wasser versickerte nicht. Den Fluss bis zum nächsten größeren Gewässer zu verlängern dauert zweieinhalb zusätzliche Jahre. Der Wachstumsbeschleuniger für die Bäume war alle. Nochmal 10 Jahre mehr. Die Orientierung der Wanderer – 40 Jahre unterwegs, denn Moses war ein Mann und Männer fragen nicht nach dem Weg. Nach dem Weg zu fragen, ist unmännlich, glauben die Männer. Vielleicht hätte ich Adam einen kleinen Bissen mehr von der Frucht der Erkenntnis essen lassen sollen. Dann hätte er erkannt, dass man manchmal fragen sollte. Was man als Gott nicht so einplanen muss! Aber die Starrköpfigkeit der Männer spielte mir hier in die Karten. Es gab noch Probleme mit dem Brandschutz und ich musste Moses und seine Leute etwas länger in der Wüste umherirren lassen. Seine Weigerung, nach dem Weg zu fragen oder auf eine Karte zu schauen, erleichterte mir die Irreführung ungemein.

So und jetzt blättert mal etwas weiter nach hinten. Neues Testament, Evangelium nach Matthäus. Nein, der Junge hat nie Fußball gespielt.

Was könnt ihr dort lesen? Genau: die Geburt meines Filius, Hirten, die einen Stern sahen und eine Stimme hörten. Könnt ihr euch eigentlich vorstellen, was dahintersteckt, das alles so hinzukriegen?

Gabriel zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Ort zu schicken ist eine Kleinigkeit. Es ist auch nicht schwer, herauszufinden, wann an welchem Ort eine Supernova zu sehen ist. Bleibt die Geburt. Oder vielmehr die Zeugung des Sprosses.

Das Timing ist hier besonders wichtig, denn er soll ja genau in jener Nacht zur Welt kommen. Erschwerend kommt hinzu, dass auch wir Götter nicht immer wissen, ob wir einen Jungen oder ein Mädchen zeugten. Also mussten mehrere Kinder gezeugt werden. Eins davon wird schon ein Junge werden. Das alles muss aber an ein und demselben Tag geschehen. Klar soweit? Glaubt mir, das kostet Kraft. Und diesen Tag muss man aufs Genaueste ausrechnen. Sonst kommen die Kinder zur falschen Zeit auf die Welt und der ganze PR-Unsinn mit dem Stern ist für die Katz.

Und jetzt, ihr Lieben, schimpft noch einmal über den Stress, den ihr immer habt! Glaubt mir, ihr wisst nicht, was wirklicher Stress ist. Aber vielleicht kann ich euch ja ein paar Tipps zur Bewältigung geben.

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