DIE GÖTTER

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Das Messias-Debakel

Wenn man als Gott möchte, dass die Menschen einem folgen, muss man ihnen was bieten. Vor allem muss es immer jemanden geben, der die Existenz des jeweiligen Gottes beweist. Die Griechen hatten da ihre Helden. Achilles, Herakles, Perseus – all die Halbgötter. Ich hatte einen ähnlichen Versuch. Nein, ich habe nicht einen Sohn nach dem anderen gezeugt. Hey, heiße ich Zeus? Ich spreche von den Nephilim, den Kindern von Engeln und menschlichen Frauen. Unter ihnen waren Helden, insgesamt war meine Nephilim-Kampagne aber ein Reinfall. Außerdem war das nichts Neues und auf diese Weise ein bisschen langweilig.

Welche Alternativen gibt es da? Ich hätte regelmäßig auf die Erde hinabsteigen können. Die Götter des Nordens machen das öfter. Aber es gibt ja genug von denen. Da verteilt sich das. Wenn man als einzig wahrer Gott seiner Religion regelmäßig seine Göttlichkeit durch Besuche der Erde unter Beweis stellen will, ist das ziemlicher Stress. Irgendwann hatte ich dann eine Idee. Nein, nicht eine Idee sondern DIE Idee.

Wenn die Menschen einen Beweis meiner Göttlichkeit brauchen, gedachte ich, Ihnen jemanden zu geben, in dem sie mich sehen. Einen Messias. Einen Heiland, einen Erlöser, einen großen religiösen Führer. Ein Symbol.

Woher wiederum weiß man als Gott, ob die Menschen einen Messias brauchen? Vor allem aber: Woher soll ich wissen, ob sie bereit dafür sind, meine göttlichen Ratschläge durch den Gesalbten zu empfangen? Es gibt schließlich heute noch Gegenden, in denen die Leute mit meinen Ratschlüssen nichts anzufangen wissen. Es gab nur eine Möglichkeit, das rauszufinden: es einfach zu tun. Trial by error, wie es im angelsächsischen Sprachraum so schön heißt.

Wie macht man einen Messias? Gar nicht. Man erwählt ihn. Dachte ich. Eene, meene, muh, Messias bist Du. Und mein Finger zeigte auf einen Aufständischen namens Simon. Kraft meines göttlichen Fingers probte Simon dann nicht nur den Aufstand gegen die Römer, er führte ihn sogar an. Klar, schließlich war er der Messias. Ich wollte ihm noch erklären, was am Messias-Dasein so dranhängt, aber Simon war so in seiner Rolle gefangen, dass er nicht zuhörte. Zu schade, denn ein Messias zu sein, hat einen Haken: ein kurzes Leben und einen gewaltsamen, blutigen, schmerzvollen Tod.

Als ich schließlich die Gelegenheit hatte, Simon darüber aufzuklären, regte sich dieser natürlich auf. Aber es war zu spät. Simon hing in der Sache drin. „Hab keine Angst!“, versuchte ich, ihn zu beruhigen. „Geht schnell. Ein Schwertstreich und die Sache ist erledigt.“ Kurz bevor es dann soweit war, schickte ich Gabriel, meinen großen Verkünder (heute würde man wohl PR-Chef sagen) noch einmal zu ihm. „In drei Tage lebe“, erinnerte er Simon. Gabriel schrieb seine Offenbarung sogar auf eine Steinplatte. Es sollte belegbar sein. Und so geschah es, dass Simon starb und drei Tage später seinem Grab entstieg. Nicht freiwillig. Ich musste ihn erstmal ernsthaft pieksen, damit er aufwachte. Aber schließlich wachte er auf. Blöd: Es war keiner da, der es sah. Und was nutzt eine Auferstehung, wenn es keine Zeugen gibt? Gar nichts.

Aus Fehlschlägen wiederum lernt auch ein Gott. Der zweite Versuch lief besser. Ich hatte die Zeugen vergessen. Gut, ich wusste also, worauf ich zu achten hatte. Einzig: Wie stellt man es an, dass genug Menschen zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind? Jede Menge Aufmerksamkeit. Tut mir leid Junge, aber Du wirst wohl ein paar Paparazzi an den Hacken haben.

Das war also der Plan:

Die Geburt: Gabriel, mein Guter, in Bethlehem liegt ein neugeborener Knabe in einer Krippe. Geh und erzähl den Hirten in Bethlehem, es sei der Heiland. Gut, die Hirten sind schon mal unterwegs. Aber nur Hirten reichen nicht. Ein paar VIP-Gäste müssen her. Die drei Weißen aus dem Morgenland erschienen mir geeignet. Aber oh! Nur zwei waren weiß! Egal, was ist schon ein Buchstabe? Dann sind es eben die drei Weisen. Da kann dann auch einer schwarz sein.

Nun musste man die drei nach Bethlehem kriegen. Wie kriegt man drei Typen dazu, den langen Weg nach Bethlehem hinter sich zu bringen? Ganz einfach. Ich tat ihnen etwas in den Weihrauch, bis sie einen Stern sahen. Und damit sie dem Stern folgten, legte ich eine Weihrauchspur bis Bethlehem. Mit Speck fängt man Mäuse, mit Weihrauch Weise. Das reimt sich. Cool, was? Bin ein richtiger Dichtergott. Kurz vor dem Ziel musste ich den drei Jungs nochmal einen Schubs in die richtige Richtung geben. Sie waren zuerst bei einem Knaben namens Brian.

Gut, die Leute kannten den Kleinen jetzt. Aber keiner beachtete ihn. Was nun, sprach Zeus? Die Götter sind besoffen. Ja, die Idee war gut. Ich frage Zeus. Nur war dieser nicht zuhause. War so klar. Der Obergrieche beglückte wohl mal wieder eine Dame oder einen Knaben. Glück im Unglück war, dass ich seine Tochter traf. Die liebreizende Athene hatte dann auch eine Idee. Wunder! Hatte ich schon bei Moses, aber Athene meinte, der Junge sollte sie vollbringen. Danke nochmal, mein Schatz, die Idee war Gold wert.

Blieb die Frage nach der Art der Wunder. Was nun sprach Zeu ... Ah! Die besoffenen Götter! Sind ja doch zu etwas gut. Ich ließ den Jungen also Wasser in Wein verwandeln. Dann war da die Geschichte mit dem Ertrinkenden. Könnte dem mal jemand helfen? Alles muss man selbst ... Aber jung Jehoshua war ja da. Keine Panik, Junge! Dir passiert schon nichts! Bist doch der Heiland!

Den Haken am Dasein als Heiland erwähnte ich schon. Und so musste auch Jesus, wie ihn die Lateiner und Griechen nannten, sterben. Sorry, Junge, aber das stand so in der Stellenausschreibung.

Tja, da hing er nun am Kreuz. Ich brauchte nur noch ein bisschen Geduld und Spucke. 3, 2, 1, vorbei. Tot war er. Ich schicke PR-Chef Gabriel nochmal raus, den Menschen das mit der Auferstehung zu verklickern. Ich wollte sicher sein, dass es Zeugen gab. Und es gab welche. Na bitte! Geht doch!

Ja, Gott zu sein ist cool. Nein, wir sind nicht unfehlbar. Manchmal brauchen wir einfach einen zweiten Anlauf. Nur der Simon fällt mir auf den Wecker. Jammert rum, dass er umsonst gemeuchelt wurde. Verdammte Axt, es sind schon Menschen vor ihm gewaltsam gestorben! Hätte eben mehr Aufmerksamkeit erregen sollen!

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