DIE GÖTTER

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Donnerwetter

„Ist ja 'n Hammer!“ Das waren Athenes Worte, als sie Thor das erste Mal sah. Ich entging nur knapp einer Kopfnuss, als ich anmerkte, dass es ganz offensichtlich ein Hammer war, was Thor in seiner Hand hatte. Dieser, hoch beeindruckt von der Schlagfertigkeit – ja, dieses Wort sollte man hier ruhig wörtlich nehmen – bot Zeus‘ Tochter dann tatsächlich an, ihr seinen Hammer genauer zu zeigen. Erinnert mich im Nachhinein ein wenig an Adam. Die Jungs wussten beide nicht, was sie mit Frauen anfangen sollten. Zeus verdrehte die Augen über so viel Unbedarftheit, Ares blickte aufgebracht drein, hielt er die Geschichte mit dem Hammer doch für eine billige Anmache gegenüber seiner Schwester. Er wollte gerade zornig losdonnern, als Athene lächelte und diplomatisch meinte, sie würde vielleicht später darauf zurückkommen. Glück für Ares. Das mit dem Donnern kann Thor als Donnergott nämlich viel besser.

Und er donnert schnell mal. Thor versteht eine Menge Spaß. Er ist aber auch leicht aufzubringen. Der nordische Blondling ist dabei nicht der Typ, der nicht nachdenkt. Manchmal allerdings erst hinterher, was die eine oder andere Verwicklung bringt. Nein, Thor ist nicht dumm. Nur hier und da etwas kurzsichtig.

Zum Beispiel habe ich mich gewundert, warum er einen Hammer sein Eigen nennt und nicht eine Axt, wie es sich für einen Wikinger gehört. Darauf angesprochen drehte Thor sich erst verlegen weg und donnerte dann (erwähnte ich schon, dass er ein herausragender Donnerer ist?), dass mich das gar nichts anginge. Frigga, die Gattin Odins, erzählte mir aber die Geschichte, die hinter Mjölnir – so heißt der Hammer – steckt:

Der junge Thor wollte schon immer ein großer Krieger sein. Und ein großer Krieger braucht eine Waffe, die seiner würdig ist. Als Wikinger trägt man natürlich eine Axt. Und als großer Gott kann man sich so eine Axt natürlich selbst basteln. „Nein“, meinte jung Thor, „ich bin schon groß. Kann alleine.“

Und also schloss er sich in der besten Schmiede Asgards ein, nachdem er den ortsansässigen Schmied seiner eigenen Werkstatt verwiesen hatte, und fing an zu schmieden. Thor hämmerte, feilte, klopfte und schliff 5 Tage ohne Unterlass. Dumm nur, dass er von diesem Handwerk nicht die Bohne verstand. Das Blatt seiner Axt hatte daher, als er stolz wie Matador aus der Schmiede kam, weniger die Form einer Axt als die eines Klumpens. Auch die Größe war nicht unbedingt die einer ausgewachsenen Wikingeraxt. Thor war dennoch unheimlich stolz auf sein Werk, hob es in die Luft und rief lauthals: „Sehet Ihr Asen: Meine mächtig A...“ Er dachte kurz nach und fuhr fort: „Mein mächtiger Kriegshammer!“

So kam es, dass Thor einen Kriegshammer als Waffe führt. Erstaunlicherweise kam er mit dem Hammer auch besser zurecht als mit der Axt oder dem Schwert. Natürlich hatte all sein Hämmern und Klopfen in der Schmiede nicht viel genutzt. Eine Schlacht und sein Hämmerchen war kaputt. Glücklicherweise hatte Papa Odin Beziehungen zu ein paar Zwergen, die dann den echten Mjölnir schmiedeten.

Aber Thor hat auch eine andere Seite. Er ist durchaus ein lustiger Geselle. Und trinkfest. Er trank sogar Dionysos (!!!) unter die olympische Fußbank. Da ich aus eigener Erfahrung wusste, wie eine Feier auf dem Olymp abläuft – und bei so einem Ereignis wie dem Besuch eines anderen Götterherrschers musste es eine Feier geben – vermied ich es, dieser bis zum Schluss beizuwohnen. Zeus hatte am nächsten Morgen einen schlimmeren Schädel als sonst, Dionysos konnte kaum aus den Augen gucken, Thor stand zeitig auf und fragte fröhlich, was man denn so machen könnte. Ich schlug vor, ihm die Gegend zu zeigen. Um seine Begeisterung zu schüren, erzählte ich ihm, was er auf dem Olymp verpassen würde, wenn er mitkäme: das Aufräumen. Thor war sofort schwerstens begeistert. Gut, er musste sich hinterher finstere Blicke von Odin gefallen lassen, aber er konnte damit leben. Und er zeigte ihm die Griechinnen, die wir unterwegs getroffen hatten. So langsam kam Thor dahinter, was man mit Frauen so anstellt.

Ich besuchte Jahre später Asgard, das Heim der nordischen Götter. Ich muss sagen, die Regenbogenbrücke fand ich schon etwas beängstigend. Ja, ich gebe es zu: Mit Höhe habe ich es nicht so. Ich weiß, dass das Unsinn ist. Wenn ich falle, muss ich nur daran denken, zu schweben und gut ist es. Aber wenn so eine wacklige Brücke unter meinen Füßen ist, fühle ich mich einfach nicht wohl. Zum Glück musste ich nicht weit laufen. Nach ein paar Schritten hörte ich hinter mir die Hufe zweier Ziegen. Als ich mich umdrehte, erkannte ich die Ziegenböcke, die Thors Wagen ziehen. Mit Wagen, ohne Thor.

Einen Wagen ohne seinen Besitzer zu sehen, ist schon etwas seltsam. Wenigsten sollte ein Wagen jemanden haben, der ihn, wenn er ihn schon nicht besitzt, zumindest lenkt. Dieser Wagen war leer. Ich stieg also ein, wendete Thors Streitwagen (unter seinen Rädern schien der Regenbogen seltsamerweise an Substanz zu gewinnen) und fuhr zurück auf die Erde. Nach Midgard, wie die Asen sie nennen. Um Thor zu suchen. Schindet sicher Eindruck, mit ihm nach Asgard zu kommen.

Da ich den Jungen nun ein wenig kannte, ging ich davon aus, dass er in irgendein Abenteuer gestolpert war. Mir war nicht unbedingt wohl dabei, heldenhaft an der Seite des Donnergottes Riesen zu erschlagen oder mit riesigen Schlangen zu ringen. Aber was soll’s? Hatte ich eine Wahl?

Ja, hatte ich. Ich hätte nach Asgard fahren und Thors Vater Bescheid sagen können. Aber zu spät. Diesmal hatte ich selbst nicht vorher nachgedacht. Ich fuhr also von der Brücke und ... sah Thor unter einem Baum liegen. Neben sich eine Stiege mit Äpfeln krümmte sich der Blonde vor Bauchschmerzen. Die Asen, müsst Ihr wissen, sind nicht eigentlich unsterblich, wie wir anderen Götter. Sie brauchen die Äpfel der Idun, um jung zu bleiben. Thor hatte es wohl übertrieben. Wollte für seine Holde besonders jung und fit wirken. Nun ja ... Erwähnte ich schon, dass Thor manchmal erst nachdenkt, nachdem er etwas tat?

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