DIE GÖTTER

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Jungfräuliche Weisheit

Überhaupt ist Athene 'ne ganz Nette. So ganz will mir zwar nicht in den Kopf, wie Weisheit und Kriegskunst zusammenpassen, aber jemand sagte einst, ein wahrer Krieger wisse nicht nur, wie man ein Schwert führt, sondern auch, wann man es nicht tut. Ich denke, klein Athene hat es raus.

Und ihr Maskottchen, die Eule, ist irgendwie hübscher als Heras Pfau. Nicht so aufdringlich. Athene hat mir mal verraten, dass die Eule Herbert heißt. Fragt mich nicht, wie sie auf diesen Namen kam.

Ich traf Athene ein paar Mal. Sie ist beinahe so schön wie Aphrodite. In ihrer strahlenden goldenen Rüstung erscheint sie dem Ares gleich. Doch übertrifft sie ihn im Kampfe gar, nutzt sie doch auch ihren Kopf. Und wenn es nur dem Zwecke dient, ihrem Gegner den Helm vor die Birne zu knallen.

Ihre Augen sind strahlend wie die Sonne an einem Sommermorgen. In ihrem Blick sieht man, dass Athene mit nichts zu bestechen ist. Aber wehe, sie ist mal sauer (und Athene ist leicht zu verärgern). Dann bekommt das geflügelte Wort von den Blicken, die töten können, eine ganz andere Dimension.

Als ich Athene das erste Mal traf, war sie mir gegenüber eher skeptisch und reserviert. Wusste mit mir nichts anzufangen. Aber ich war ja auch nicht ihretwegen auf dem Olymp. Ich war noch Gott in Ausbildung und wollte von ihrem Papa ein bisschen was lernen. Papa Zeus zeigte mir die Frauen, die Freuden von Nektar und Ambrosia und warnte mich davor, jemals eine Gemahlin zu nehmen. Irgendwann – Zeus weilte mal wieder bei einer Dame, seine Gattin versuchte erst gar nicht, ihn davon abzuhalten – lief ich, da ich sonst nichts zu tun hatte Athene nach. Ich tat es offen. Bemerkt hätte sie mich ohnehin und ich wollte nicht den Eindruck erwecken, ich würde ihr nachstellen. Athene schwieg, nahm aber meine Anwesenheit hin.

Wir besuchten einen ihrer Tempel. In diesen Tempeln sollte eigentlich den Göttern gedient werden, denen sie geweiht waren. Aber hier? Ein Dreizack lehnte an der Wand und ein (selbst für einen Gott) hochgewachsener Mann vergnügte sich auf dem Altar mit einer Frau. Es war das erste Mal, dass ich die sonst so disziplinierte Athene erregt sah. „Wie kannst Du es wagen, Gorgone?“, schrie sie erbost.

Zunächst fand ich, „Gorgone“ wäre selbst für die Griechen ein seltsamer Name. Aber der Name der Frau, erklärte Athene mir später, war Medusa und sie war eine Gorgone. Die erboste Athene verwandelte die eigentlich ganz hübsche Frau in ein Ungeheuer. Der Gott – Zeus' Bruder Poseidon, wie ich hinterher erfuhr – nahm seinen Dreizack und lief kleinlaut und auf Zehenspitzen raus.

Die arme Athene brach in Tränen aus, kaum dass ihr Onkel verschwunden war. Medusa und sie kannten sich gut. Sie waren wie Spiegelbilder, zwei Seiten einer Münze. Athene wusste um das laszive Treiben Medusas. Aber ausgerechnet in ihrem Tempel? Ich nahm die Göttin tröstend in den Arm. Seither sind wir gute Freunde.

Einige Jahre später, es war zur Zeit der Sommersonnenwende, wollte Zeus sich von allen als der feiern lassen, der die Nacht vertrieb und den Tag lang machte. Athene bemerkte dazu, dass wir uns etwas einfallen lassen sollten, damit ihr Herr Papa nicht vollends abhebt. Also beschlossen wir, ihm einen kleinen Streich zu spielen.

Es war Neumond. Die Sonne stand im Zenit und der Mond war ihr nahe. Athene sah mich an, ich sah Athene an, wir grinsten und schoben den Mond eine Handbreit nach links unten. Direkt vor die Sonne. Gerade als Zeus eine Lobrede auf den längsten Tag anhub, wurde der Tag zur Nacht. Der König des Olymp blickte konsterniert in die Richtung, in der er die Sonne vermutete, seine zänkische Gattin kroch ängstlich unter sein Gewand und der Rest der Götterwelt erstarrte vor Schreck. Wer hatte das Feuer des Sonnenwagens gelöscht? Probte Hades den Aufstand? War Helios durch eine Pfütze gefahren?

„Fürchtet Euch nicht, meine Brüder und Schwestern, Vater, Oheim und Mume!“, rief meine Freundin. „Unter uns ist einer, der Euch das Licht des Sonnenfeuers wiederbringen kann.“ Sie nickte mir zu. Angestrengt und unter Aufbietung all meiner Kraft – es sollte ja niemand merken, dass wir hinter dem Verschwinden der Sonne steckten – griff ich nach dem Mond und zog ihn an der Sonne vorbei. Ein Seufzen der Erleichterung ging durch den Götterreigen und ich wurde genötigt, den Rest des Tages feierlich mit jedem Anwesenden auf meine „Heldentat“ anzustoßen. Es gab nur zwei, die hinterher keinen Brummschädel hatten: Dionysos, weil er einfach mehr verträgt und Athene, weil sie sich rechtzeitig aus dem Staub gemacht hatte. Dankenswerterweise umfing mich Hypnos irgendwann mit seinen Armen und schenkte mir Ruhe und Vergessen. Leider war das mit dem Vergessen sofort vorbei, als ich aufwachte. Auf Athenes Geheiß kam Asklepios der Heiler zu mir, nachdem der Gott des Schlafes mich aus seinen Armen entlassen hatte. Ich konnte einiges eher wieder klar denken als der Rest auf dem Olymp. Als ich Zeus‘ Tochter am nächsten Vormittag aufsuchte, suchten wir erstmal das Weite. Ach ja, die gute Athene! In ihrer Weisheit bewahrte sie mich mit dem Ausflug davor, auf dem Olymp mit sauber machen zu müssen. Das sah dort aus, sage ich Euch!

Etwas verwirrend finde ich immer noch, dass Athenchen keinen Gatten hat. Mehr noch: Sie ist immer noch Jungfrau. Ich glaube aber, ich weiß, warum. Ich glaube, Athene ist ziemlich in Thor verschossen. Diesen Blonden aus dem Norden. Etwas aufgeregtes Kerlchen. Will immer allen zeigen, wo der Hammer hängt.

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